Ist häusliche Pflege durch ungeschultes Personal abzugsfähig?

Häusliche Pflege ist auch bei Betreuung durch nicht besonders ausgebildetes Personal als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig

Das Finanzgericht Baden-Württemberg hat in einem als Präzedenzfall geltenden Verfahren entschieden, dass häusliche Pflege auch dann als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig ist, wenn das hierfür eingesetzte Pflegepersonal für die Betreuung nicht professionell geschult ist.

Die Klägerin ist pflegebedürftig und erhielt im Streitjahr 2014 Pflegegeld in Höhe von 5.280 Euro für Pflegedienste, die von ihr selbst bestellt wurden. Der von Seiten des medizinischen Dienstes festgestellte tägliche Hilfsbedarf der Klägerin beläuft sich auf 163 Minuten für die Grundpflege (Körperpflege, Ernährung, Mobilität) und zusätzlich eine Stunde für die hauswirtschaftliche Versorgung. Für die häusliche Pflege hatte die Klägerin einen Vertrag mit einem polnischen Pflegedienst geschlossen. Der Vertrag regelte die hauswirtschaftliche Versorgung (Einkaufen, Kochen, Spülen, Wäsche- und Kleidungswechsel) der Klägerin, ihre Unterstützung bei alltäglichen Aktivitäten sowie Teilleistungen im Bereich der Grundpflege. Die Firma erbrachte diese Leistungen durch polnische Betreuungskräfte, die im Haushalt der Klägerin wohnten und mit einer Wochenarbeitszeit von 40 Stunden beschäftigt waren.

In ihrer Einkommensteuererklärung 2014 machte die Klägerin die Kosten für die häusliche Plege in Höhe von 28.500 Euro sowie die Unterkunfts- und Versicherungskosten der Betreuungskräfte mit 2.712 Euro als außergewöhnliche Belastungen geltend. Das Finanzamt lehnte jedoch den Abzug dieser Aufwendungen ab, weil es sich bei den Betreuungskräften nicht um ausgebildetes Personal für häusliche Pflege bzw. um einen nicht sozialrechtlich anerkannten Pflegedienst gehandelt habe. Die Aufwendungen seien nur als haushaltsnahe Dienstleistungen mit einem Höchstbetrag von 4.000 Euro abzugsfähig.
Das Finanzgericht hat in seinem Urteil der Klage nun insoweit stattgegeben, als es die dem Grunde nach abziehbaren Pflegeaufwendungen auf einen angemessenen Anteil von 20.732 Euro kürzte und hiervon das der Klägerin gezahlte Pflegegeld in Höhe von 5.280 Euro abzog. Als Begründung gab das Gericht an, die Kosten für die Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung der Klägerin dienten dazu, ihre Krankheit erträglicher zu machen und gehörten daher als Pflegeaufwendungen zu den dem Grunde nach abziehbaren Krankheitskosten.

Entgegen der Auffassung des Finanzamts sei die Abziehbarkeit der Aufwendungen nicht ausgeschlossen, weil es sich bei den eingesetzten Betreuungskräften nicht um besonders ausgebildetes Personal für häusliche Pflege gehandelt habe. Eine solche Voraussetzung stütze sich weder auf den Wortlaut des § 33 des Einkommensteuergesetzes noch auf § 64 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung. Die angefallenen Betreuungskosten kürzte das Finanzgericht auf einen angemessenen Anteil von zwei Drittel, da lediglich 27 Stunden der Betreuungsleistungen als notwendige Pflegezeit fachmedizinisch nachgewiesen waren.