Was gilt für Erben bei mehreren Testamenten?

Abfindung an den vermeintlichen Erben – Berücksichtigung als Nachlassverbindlichkeit

In Erbfällen, in denen mehrere Testamente errichtet wurden, die jeweils verschiedene Personen als Erben vorsehen, kann es zu Streitigkeiten über die Wirksamkeit des zuletzt errichteten Testaments kommen. Eine Abfindung, die ein „weichender“ Erbprätendent (vermeintlicher Erbe) im Rahmen eines Prozessvergleichs von den zuvor eingesetzten Erben erhält, unterliegt nach der neueren Rechtsprechung (siehe BFH-Urteil vom 4. Mai 2011 II R 34/09 | BStBl 2011 II S. 725) nicht der Erbschaftsteuer.

Ein Streitfall als Blaupause
Im Streitfall hatte die Erblasserin in einem notariell errichteten Testament zunächst ein Ehepaar als Erben zu gleichen Teilen bestimmt. In einem nachfolgenden handschriftlich errichteten Testament setzte die Erblasserin ihren Finanzberater als Alleinerben ein. Dieser nahm in einem Vergleich seinen Antrag auf Erteilung eines Erbscheins zurück, damit die Eheleute die alleinige (Mit-)Erbenstellung erlangen konnten. Er erhielt dafür eine Abfindung von 160.000 Euro, die nicht der Erbschaftsteuer unterlag. Ungeachtet dessen ist diese Summe bei den Ehepartnern je zur Hälfte als Nachlassverbindlichkeit zu berücksichtigen und von den erworbenen Vermögenswerten abzuziehen.

Begriff der Erwerbskosten
Es war bislang strittig, ob diese Zahlung dementsprechend bei den übrigen Erben überhaupt als Nachlassverbindlichkeit abgezogen werden kann. In einem Urteil vom 15. Juni 2016 II R 24/15 entschied der Bundesfinanzhof, dass die Abfindung – die der Erbe zur Beendigung des Rechtsstreits und letztendlich zur Erlangung seiner Erbenstellungzahlt – eine Nachlassverbindlichkeit i. S. von § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG darstellt.

Der Abzug von Erwerbskosten als Nachlassverbindlichkeiten setzt einen unmittelbaren Zusammenhang mit der Erlangung des Erwerbs voraus. Der Begriff der Erwerbskostenfolgt dabei prinzipiell einer weiten Auslegung. Nach Urteil des BFH hängen Kosten, die dem letztendlich bestimmten Erben infolge eines Rechtsstreits um die Erbenstellung entstehen, regelmäßig unmittelbar mit der Erlangung des Erwerbs zusammen.

Ein Grundsatz korrespondierender Steuerbarkeit besteht im Übrigen nicht. So steht dem Abzug als Nachlassverbindlichkeit beim Zahlenden nicht entgegen, dass beim Zahlungsempfänger kein der Erbschaftsteuer unterliegender Erwerb vorliegt. Daher verneint der BFH einen Widerspruch zu seiner Rechtsprechung, nach der beim weichenden Erbprätendenten, der eine Abfindungszahlung dafür erhält, dass er die Erbenstellung nicht mehr bestreitet, kein der Erbschaftsteuer unterliegender Erwerb vorliegt.